Sie sind hier

Die professionelle Zahnreinigung – eingeIGeLt?

Immer wieder mal steht die professionelle Zahnreinigung (PZR) bei der „bunten Fachpresse“ (Stern, Focus o. a.) im Zentrum der Diskussionen. Diskutiert wird fleißig über die Sinnhaftigkeit der Leistung, wird sie doch vielfach in den Bereich der „kosmetischen Zahnreinigung“ verschoben. 

Tipps für den Praxisalltag von Christine Baumeister-Henning

Immer wieder mal steht die professionelle Zahnreinigung (PZR) bei der „bunten Fachpresse“ (Stern, Focus o. a.) im Zentrum der Diskussionen. Diskutiert wird fleißig über die Sinnhaftigkeit der Leistung, wird sie doch vielfach in den Bereich der „kosmetischen Zahnreinigung“ verschoben. 

Sie wird sogar von Krankenkassen, die sie bezuschussen, als sogenannte IGeL-Leis-tung in den Bereich überflüssiger und lediglich der Bereicherung dienender Maßnahmen abqualifiziert.

GeL sind „Individuelle Gesundheitsleistungen“.
Der Begriff kommt aus dem ärztlichen Bereich. Selbstzahlermedizin wird schon seit 1968 als IGeL bezeichnet. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV- Spitzenverbandes, äußerte sich bei der Einführung des IGeL-Monitors (ein Portal, das sich kritisch mit IGeL-Leistungen befasst) so: „Bei den IGeL-Leistungen geht es vorrangig um wirtschaftliche Interessen von Ärzten und nicht um notwendige medizinische Leistungen für Kranke.“ Im Bereich der Zahnheilkunde gibt es den Begriff der IGel-Leistungen nicht. Dennoch hat sich in diesem Rahmen ein Fachjournalist (Biologe) mit dem Nutzen der PZR beschäftigt und im Rahmen eines Reports für den medizinischen Dienst der Krankenkassen geschrieben, dass es keine generelle Empfehlung für eine professionelle Zahnreinigung gäbe. Sie wurde als Prophylaxe-Maßnahme für Karies und Parodontitis mit „unklar“ bewertet, da aus wissenschaftlicher Sicht bisher weder ein eindeutiger Nutzen hinsichtlich der Zahngesundheit noch Hinweise auf Schäden aufgezeigt wurden.

Wenn die PZR in den Ruf gerät, dass sie lediglich eine kosmetische Angelegenheit sei und damit medizinisch unsinnig, ist das manchmal sicher auch selbstgewähltes Schicksal, wenn ich so manchen Praxistrainer/Referenten höre, der sich anschickt, Zahnärzten und ihren MitarbeiterInnen beizubringen, wie man die PZR besser VERKAUFEN kann. So lange Zahnärzte damit werben, die PZR mache „schöne, saubere, sexy Zähne“, werden Nichtwissende zu Recht über den Sinn der Maßnahme philosophieren. Eine Maßnahme, die medizinisch notwendig ist, wird nicht verkauft, sondern mindestens ernsthaft empfohlen, besser sogar verordnet.

Eine professionelle Zahnreinigung ist die möglichst vollständige Entfernung aller supragingivalen (über dem Zahnfleisch gelegenen) harten und weichen Zahnbeläge sowie die Beseitigung der harten und weichen subgingivalen Beläge aus dem Sulcus, soweit diese durch nicht invasive Maßnahmen entfernt werden können. Kombiniert wird diese Zahnreinigung mit der anschließenden Politur und Fluoridierung der Zahnoberfläche. Außerdem gehören Maßnahmen, die der Instruktion und der Motivation des Patienten zur verbesserten Mundhygiene dienen, zweifelsfrei dazu. Der PZR kommt eine zentrale Bedeutung bei der Erhaltung und Wiederherstellung der Mundgesundheit bei Hygienedefiziten zu, z. B. bei drohender oder vorhandener Gingivitis, Parodontitis oder anderen gingivalen Erkrankungen, bei Initialkaries und anderen Hartsubstanzdefekten der Zahnoberfläche wie z. B. Abr asionen, Erosionen, keilförmigen Zahnhalsdefekten etc. Demnach ist die medizinische Indikation bei dieser Gebührennummer genauso wenig in Frage zu stellen wie bei allen anderen Gebührennummern der GOZ oder der GOÄ.

Natürlich stehen Zahnärzte und ihre MitarbeiterInnen oft vor der Frage ihrer Patienten, warum denn eine angeblich so sinnvolle Maßnahme von der gesetzlichen Krankenkasse nicht bezahlt werde. Diese Frage ist leicht zu beantworten, wenn man sich mit dem System der Sozialversicherungen auseinandergesetzt hat. Sozialversicherungen sind solidarische Versichertengemeinschaften. Die gesetzliche Krankenkasse war noch nie darauf ausgelegt, alle medizinisch notwendigen und möglichen Leistungen zu bezahlen. Hier steht als wirtschaftliche Grenze der Beitragssatzder gesetzlich Versicherten. Der soll nach Möglichkeit stabil bleiben.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Ausgaben nach den Grundsätzen aus § 12 SGB V begrenzt werden: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“ Das Wirtschaftlichkeitsgebot spiegelt sich wider in den Richtlinien. So werden individualprophylaktische Leistungen auf die Altersgruppe der 6- bis 18-Jährigen begrenzt. Nicht weil Prophylaxe bei älteren oder jüngeren Patienten überflüssig wäre, sondern weil sie in dieser Altersgruppe den größten Effekt hat. So werden die IP-Leistungen IP1 und IP2 auf einmal pro Halbjahr, die IP5 auf die bleibenden Molaren beschränkt – nicht weil dies für alle das richtige Maß wäre, sondern weil man dann mit den zur Verfügung stehenden Mitteln einer möglichst großen Versichertengruppe ein Minimum an Prophylaxe anbieten kann.

Statt einer PZR bezahlt die GKV einmal pro Jahr die Entfernung harter Zahnbeläge (Zst/Bema-Nr. 107). Fachlich ein magerer Beitrag für die Gesunderhaltung von Zähnen und Zahnhalteapparat – wirtschaftlich eine „Basisleistung“, die – wie viele andere – durch eine Eigenbeteiligung des Patienten in eine optimale Leistung überführt werden kann.

Was sicherlich in diesem Zusammenhang zu überdenken wäre, ist das Zuzahlungsverbot zur vertragszahnärztlichen Leistung. Bei Füllungen (Reparaturleistungen) funktioniert es doch auch hervorragend. Bei der Versorgung der Patienten mit einer Kompositfüllung bezahlt die GKV die einfache Kassenfüllung, der Eigenanteil für den Patienten errechnet sich aus der Differenz GOZ-Füllung minus BEMA-Füllung. Bei der professionellen Zahnreinigung wäre das sehr leicht möglich (GOZ-Nr. 1040 minus BEMA-Nr. 107) – ist aber leider verboten. Ebenso ist es nicht zulässig, in gleicher Sitzung zunächst den Zahnstein als Vertragsleistung zu entfernen und gleich anschließend eine PZR durchzuführen, denn die Entfernung harter supragingivaler Beläge ist Bestandteil der GOZ-Nr. 1040.

Die zeitgleiche Abrechnung der BEMA-Nr. 107 und der GOZ-Nr. 1040 führt zu einer unzulässigen Doppelberechnung. Mit der Gebührenordnungsreform von 2012 ist für die professionelle Zahnreinigung eine eigene Gebührennummer, nämlich die GOZ-Nr. 1040, aufgenommen worden. Damit hat der Verordnungsgeber die Gebührenordnung an die zahnmedizinische wissenschaftliche Entwicklung und Realität angepasst. Welchen Behandlungsumfang die GOZ-Nr. 1040 einnimmt, ist in den Abrechnungsbestimmungen festgelegt: „Die Leistung umfasst das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied.“

Eine supragingivale/gingivale Belagsentfernung erfüllt jedoch nicht die wissenschaftlichen Kriterien einer PZR. Dennoch enthält die GOZ-Nr. 1040 und deren Berechnungsbestimmung ausdrücklich nicht die Entfernung subgingivaler Beläge. Die Entfernung subgingivaler Konkremente beschreibt die GOZ lediglich in den GOZ-Nrn. 4070 und 4075: „Parodontalchirurgische Therapie (insbesondere Entfernung subgingivaler Konkremente und Wurzelglättung) …, geschlossenes Vorgehen“. In vielen Fällen können jedoch subgingivale Beläge auch ohne chirurgische Maßnahmen entfernt werden, jedenfalls dann, wenn sie klinisch in der nicht sehr tiefen Zahnfleischtasche einfach erreichbar sind. Wissenschaftlich umfasst die PZR die Entfernung supra- und subgingivaler Beläge. Die GOZ enthält also nur die supragingivale/gingivale Belagsentfernung oder die subgingivale Konkremententfernung als chirurgische Leistung (mit Anästhesie, Präparation oder Aufdehnung der Zahn-fleischtasche und Kürettage der Gingiva). Werden klinisch erreichbare Beläge subgingival ohne parodontalchirurgische Maßnahmen entfernt, ist dies eine Leistung, die in der GOZ nicht enthalten ist. In solchen Fällen greift dann § 6 Abs. 1 GOZ: Die nichtchirurgische subgingivale Belags- bzw. Konkremententfernung ist entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung zu berechnen – das ist dann die sogenannte Analogberechnung. Sogar das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart (zuständig für Beihilfeangelegenheiten) hat diese Sichtweise unterstützt (Az.: 3 K 3921/12 vom 25.10.2013). Das Gericht schreibt hierzu wörtlich in seiner Urteilsbegründung:

„Die Leistung nach der Gebührenziffer 1040 GOZ umfasst danach allerdings nicht das Entfernen von subgingivalen Belägen. Nach den von der Klägerin in Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe und des Kommentars zur GOZ von Liebold/Raff/Wissing ist daher das Entfernen subgingivaler Beläge auf nicht chirurgischem Wege gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog berechenbar. Hierfür ist nach dem Kommentar von Liebold/Raff/Wissing (Stand: Dezember 2011, S. 2 zur Gebührennr. 4005 GOZ) eine analoge Anwendung der Gebührenziffer 4005 GOZ neben einer professionellen Zahnreinigung gerechtfertigt.“ In diesem Fall wurde die GOZ-Nr. 4005 analog akzeptiert. Das AG Celle (Az.: 13 C 1449/135.2 vom 11.11.2014) gelangte ebenfalls zu der Auffassung, dass die subgingivale Belagsentfernung nicht von der GOZ-Nr. 1040 erfasst und somit zu Recht analog in Rechnung gestellt worden ist. Auszug aus der Begründung: „Die Berechnung der Geb.-Nr. 2130 GOZ analog (...) ist nicht zu beanstanden. Die vorgenommene Entfernung subgingivaler Beläge wird nicht von der Geb.-Nr. 1040 GOZ erfasst; die Geb.-Nr. 1040 GOZ erfasst das Entfernen supragingivaler/gingivaler Beläge.“

Wie oft kann eine PZR berechnet werden? Müssen gewisse Zeitabstände zwischen zwei Reinigungen eingehalten werden? Zu diesen Fragen finden wir in den Berechnungsbestimmungen der GOZ und der GOZ-Nr. 1040 keine Angaben. Lediglich bei den GOZ-Nrn. 4050/4055 (Entfernung harter und weicher Zahnbeläge gegebenenfalls einschließlich Polieren …) ist in den Berechnungsbestimmungen festgelegt, dass diese Behandlungsmaßnahme nur einmal innerhalb von 30 Tagen am selben Zahn berechnet werden kann. Demnach ist die PZR so oft nach der GOZ-Nr. 1040 berechnungsfähig, wie sie medizinisch notwendig ist. Die je nach Patient und Mundsituation sehr unterschiedlichen Erfolge der häuslichen Mundhygienemaßnahmen sind bei der Festlegung des PZR-Intervalls zu berücksichtigen.

 

--------------------------------------------

Christine Baumeister-Henning

Beratung Training Konzepte

Sachverstandige zahnarztliches Gebuhrenrecht/Business-Coach

Heitken 20 • 45721 Haltern am See

Tel.: 02364/68541 • Mobil: 0171/4225386

E-Mail: info@ch-baumeister.de